Bedeutsame Statistikfehler

Die folgenden Informationen bringen euch zum Staunen und räumen mit Mythen auf.

Wir starten mit Evonne Goolagong:

Evonne Goolagong

(Ersteller: Evening Standard | Credit: Getty Images)

Am 27. Dezember 2007 wurde ihr nach 31 Jahren nachträglich von der WTA bestätigt, dass sie im Jahr 1976 für zwei Wochen vor Christ Evert die Weltranglisten-Erste war. Es lag ein Rechenfehler vor, der bei einer Neu-Berechnung der bei den Damen im Jahr 1975 eingeführten Computer-Weltrangliste erkannt wurde.

Auf der ATP-Tour hatte Guillermo Vilas bereits Mitte der 1970er eine Neuberechnung der bei den Herren am 23. August 1973 eingeführten Computer-Weltrangliste eingefordert, weil es seiner Meinung nach nicht sein konnte, dass Jimmy Connors am Ende des Jahres 1975 vor ihm lag.

ATP-Ranking Jahresende 1975

(ATP-Ranking Ende 1975, Quelle: Netflix, Guillermo Vilas – Settling the Score)

Hier eine Begründung, warum für aufstrebende Tennisspieler/innen die Einführung des Computer-Rankings wichtig war - es spricht Richard Evans, der damals daran beteiligt war und heute als Journalist bei The Tennis Channel arbeitet:

Nachdem der Sport-Journalist Eduardo Puppo von der Richtigstellung bei Evonne Goolagong erfahren hatte, sah er die Zeit reif, für eine nachträgliche Richtigstellung des Rankings von Guillermo Vilas. Die Arbeit daran brachte eine rund 1.100 Seiten umfassende Dokumentation mit Berechnungen und Belegen hervor und kostete ihn 12 Jahre seines Lebens. Im Oktober 2020 veröffentlichte Netflix dazu Guillermo Vilas – Settling the Score - eine spannende und einfühlsame Dokumentation.


Ein falscher Glaubenssatz, der als Wahrheit behauptet wird

Der weltweit bekannteste Tennis-Statistiker Craig O’Shannessy behauptet aufgrund seiner Auswertungen von Daten „Tennis is approximately 70% errors“ (Zitat aus einem Newsletter von Craig). Damit schuf er einen Glaubenssatz, der aufgrund der zugrundeliegenden großen Datenmenge den Anschein einer statistischen Wahrheit mit sich trägt. Entsprechend trug Michael Kohlmann, damaliger und heutiger Davis-Cup-Kapitän des deutschen Herren-Teams, am 7. Januar 2017 beim DTB-Kongress vor,

„…, dass 7 von 10 Punkten mit einem Fehler beendet werden, das, glaube ich, ist eine massive Statistik, dass wirklich nur 3 Winner gespielt werden. Ich hab‘ jetzt 8 Monate mit dem Rudi Molleker gearbeitet; wenn Du dem das sagst, von 10 Punkten werden nur 3 Winner gespielt, der lacht Dich aus. Weil, der hat das Gefühl, er muss 7 Winner spielen, also genau das Gegensätzliche.“

Sein Mit-Vortragender Björn Simon, Chef-Trainer des Hessischen Tennisverbandes und vom DTB zum Trainer des Jahres 2022 gekürt, war damals derjenige, der den statistischen Teil des Vortrages verantwortete. Er veröffentlichte 2018 den Artikel Fehler gezielt erzwingen, worin wir lesen können: "Tatsächlich ist Tennis ein Spiel, das auf Fehlern basiert. Vielen Fehlern."
Der Artikel ist eine deutsche Übersetzung und Interpretation der von Craig O’Shannessy beschriebenen 8 WAYS TO FORCE AN ERROR (USTA Alabama), die Craig erstmals am 03.09.2014 auf Twitter erwähnte.

Aber trotz massiver Statistik - Rudi Molleker hat Recht.

Allerdings: Für die Gruppe der Freizeit- und Club-Spieler/innen, sieht die Angelegenheit anders aus. Bei uns ist der Anteil der Fehler meist größer als der Anteil der Gewinnschläge. Deshalb ist es eine fruchtbare Strategie, den Ball einfach nur ins Feld zu spielen und auf den Fehler des Anderen zu warten. Je höher das Spielniveau umso mehr ist es notwendig, in der Lage zu sein, selbst Druck zu machen. Um die Entwicklung eines Spielers / einer Spielerin messbar zu machen, ist es sinnvoll, die Aggressive Margin zu erheben und die Werte über einen längeren Zeitraum zu vergleichen.

Es folgt nun ein nachbearbeiteter Vortrag vom 13.11.2021 als pdf-Datei zum Download mit einer Tonspur zum Download (rechte Maustaste und dann "Ziel speichern unter"), die parallel dazu angehört werden sollte. Beides beinhaltet neben der Aufklärung über den angeblichen Becker-Graf-(Stich)-Tennis-Boom auch die oben behandelten Themen. Zudem wird gezeigt, dass das Konzept von forced und unforced error auf einem Denkfehler beruht, der die weltweite Tennisgemeinde in die Irre führte. Schließlich wird die Behauptung, dass 70% aller Punkte nach spätestens 4 Schlägen beendet werden, kritisch unter die Lupe genommen.